37. Kölner Island-Kolloquium (13.11.2010)

  • Dr. Natascha Mehler (Wien)
    Archäologische Forschungen zur Hanse in Island
  • Thomas Graics (Neuss)
    Island von oben
  • Matthias Wagner K (Berlin)
    ISLANDBOX: Ausgepackt wird am Main!
  • Dr. Horst Noll (Köln)
    Die Laki-Spalteneruption in Südisland 1783-84 und ihre verheerenden Auswirkungen auf vier Kontinenten. Ein aktuelles kleines Beispiel: Eruption des Eyjafjallajökull 2010
  • Hanna Dóra Sturludóttir, Mezzosopran
    Interview: Irmhild Garber, Begleitung am Klavier: Hjálmur Sighvatsson

Leitung: Dr. Sverrir Schopka

Informationen zum Programm

Begrüßung durch den Präsidenten der DIG, Prof. Dr. Gert Kreutzer

Dr. Natascha Mehler (Wien)
Archäologische Forschungen zur Hanse in Island

Natascha Mehler ist Mittelalter- und Neuzeitarchäologin am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien. Ihren Magister Artium erhielt die gebürtige Bayerin 2000 von der Universität Bamberg, Ihren Doktortitel 2008 von der Universität Kiel. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Archäologie von Nordeuropa (besonders Island, Skandinavien). Seit 2006 leitet sie zwei internationale Forschungsprojekte zur Archäologie der Hanse: Eines behandelt die hansischen Handelsniederlassungen von Island und den Shetlandinseln, das andere untersucht die hansische Expansion zu den Färöern und Norwegen. 2009 drehte sie gemeinsam mit dem ZDF die Dokumentation „Terra X: Vorstoß der deutschen Hanse“.

Zum Vortrag: Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit war Island stark an die Hanse gebunden: Kaufleute aus Lübeck, Hamburg und Bremen nahmen jedes Jahr aufs Neue die lange Reise auf sich, um Getreide, Stoffe und Werkzeuge gegen Stockfisch und Schwefel einzutauschen. Beides versprach hohen Profit in der Heimat. Historiker beschäftigen sich seit langem mit der Hanse in Island, aber nun ist sie auch ins Interesse der Archäologen gerückt. Seit einigen Jahren erforscht ein internationales Projekt (Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts sowie Queen´s University Belfast) die Hinterlassenschaften der Hanse in Island. Besonders auf den Halbinseln Reykjanes und Snæfellsnes lassen sich heute noch die Ruinen ihrer Handelsstützpunkte finden (z.B. bei Bjarnarhöfn). Dazu kommen zahlreiche Funde aus dem ganzen Land, die im Laufe der letzten 100 Jahre bei archäologischen Ausgrabungen zu Tage kamen. Der Vortrag berichtet über die laufenden Untersuchungen dieses Projekts, zeigt Beispiele von neu entdeckten Handelsstationen und Ergebnisse der Fundanalysen.

Thomas Graics (Neuss)
Island von oben

Thomas Graics wurde 1959 in Düsseldorf geboren. 1982 – 1988 studierte er Kommunikationstechnik an der Fachhochschule Düsseldorf und 1998 – 2003 absolvierte er ein Kunststudium an der Freien Kunstakademie Rhein/Ruhr, Essen, in der Klasse von Veit Johannes Stratmann. Seit 1999 ist er Dozent für Ölmalerei an der VHS Mönchengladbach und Mitglied des Neusser Künstler Kreis e.V. Seit 2004 bereist er Island mehrmals im Jahr. Er hat an zahlreichen internationalen Fotowettbewerben teilgenommen und mehrere Preise gewonnen. Ferner nahm er an mehreren Gruppenausstellungen teil. 2009 hatte er zwei Einzelausstellungen in Island: Museum of Photography in Reykjavík und Kunstmuseum in Ísafjörður. Seine Publikation Photo Art Book „Abstraction der Natur“ hat das Prädikat „Deutscher Fotobuchpreis – Nominiert 2010“ erhalten und wird zusammen mit den Siegertiteln an der Wanderaustellung „Deutscher Fotobuchpreis 2010“ teilnehmen.

Zum Vortrag: Ein Flug über Island. Es ist ein besonderes Erlebnis in Island zu fliegen, der Schönheit der Natur wegen, aber es gilt auch Stürme und Hangwinde zu trotzen oder bei der widrigen Windverhältnissen eine kleine Landebahn anzusteuern. Anders als in Deutschland spürt man hier beim Fliegen noch ein gewisses Maß an Freiheit.
Die Landschaft wird bestimmt von monumentalen gletscherbedeckten Bergen, lieblich grünen Tälern und kargen,
schwarzen Lavafeldern, die von grünlich-milchigen Gletscherflüssen durchzogen werden. Diesen Flüssen, die auf ihrem Weg zum Meer ständig ihren Verlauf und ihr Aussehen verändern, gilt Graics Augenmerk. Der spezifische Mineraliengehalt verleiht den Flüssen ihr charakteristisches Aussehen, er lässt das Licht diffus brechen und zu bestimmten Tageszeiten erscheint es, als würden sie aus sich heraus leuchten. Diese Flüsse mäandern sich aus dem Hochland durch graues Geröll, schwarzen Lavasand oder rötliche Lehmböden, vermischen sich in aquarellartigen Farbverläufen, bevor sie sich in einem Delta auffächern und ins Meer ergießen.
Thomas Graics hat in 12 Aufenthalten insgesamt 90 Stunden in der Luft über Island verbracht und dabei die Insel in allen Himmelsrichtungen mehrfach überflogen. Dabei sind einzigartige Aufnahmen entstanden, die in Form einer
Beamer/Diashow präsentiert werden.
Graics Bilder resultieren aus der Zusammenführung seines langjährigen Berufs als Pilot und seiner Berufung als Maler. Zuerst als Autodidakt, dann im Studium an der Freien Kunstakademie in Essen entwickelte er sein spezifisches Gespür für Formen und Farben. Sein ehemaliger Beruf als Luftfahrtingenieur und Pilot ermöglichte ihm die Welt intensiver aus der Vogelperspektive zu sehen, als es den meisten möglich ist.

Matthias Wagner K (Berlin)
ISLANDBOX: Ausgepackt wird am Main!

Matthias Wagner K, 1961 in Jena geboren und in Berlin lebend, ist freier Kurator mit den Schwerpunkten Lichtkunst sowie Isländische Kunst und Kultur. 2005 war Wagner K künstlerischer Leiter (mit C. Stahl) des Festivals ISLANDBILDER in Köln, der bisher umfassendsten Darstellung Isländischer Kunst und Kultur im Ausland. Dem folgten weitere von ihm projektierte Ausstellungen, die Film, Gegenwartskunst sowie Mode und Design Islands zum Inhalt hatten. 2006 wurde er als Kurator an die Nordischen Botschaften in Berlin berufen, 2008 als Kurator für das Kunst- und Kulturprogramm des isländischen Gastlandauftrittes auf der Frankfurter Buchmesse 2011 sowie 2009 zum künstlerischen Leiter der ersten NORDIC FASHION BIENNALE –Fashion and jewelery from Faroe Islands, Greenland and Iceland bestellt.
Im Jahr 2010 leitete Wagner K im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas RUHR. 2010 die weltweit erste Biennale für Internationale Lichtkunst.

Zum Vortrag: Island ist Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2011. Die Tinte auf den Verträgen deutscher Verlage mit isländischen Autorinnen und Autoren ist bereits getrocknet, in den Druckereien werden die letzten Korrekturen vorgenommen und isländische KünstlerInnen, MusikerInnen, FilmemacherInnen, ArchitektInnen und SchauspielerInnen treffen ihre Reisevorkehrungen. Matthias Wagner K, Kurator für das Kunst- und Kulturprogramm „Sagenhaftes Island – Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2011“, hebt den Deckel der „Islandbox“ noch einmal an und gewährt einen Einblick auf das, was erst am Main ausgepackt werden wird.

Dr. Horst Noll (Köln)
Die Laki-Spalteneruption in Südisland 1783-84 und ihre verheerenden Auswirkungen auf vier Kontinenten. Ein aktuelles kleines Beispiel: Eruption des Eyjafjallajökull 2010

Dr. Horst Noll, geb.1937 in Düsseldorf. Studium der Geologie und Paläontologie an den Universitäten Tübingen und Köln. 1962 Studienabschluss als Diplom-Geologe. Seit Januar 1963 Wissenschaftlicher Assistent am Geologischen Institut der Universität zu Köln. Promotion 1966 bei Prof. M. Schwarzbach über „Maare und maar-ähnliche Explosionskrater in Island“. Danach vulkanologische und allgemein erdgeschichtlich orientierte Geländearbeiten in Westisland in Zusammenarbeit mit Dr. Kristján Saemundsson. Weiterhin Studien zum Vulkanismus des Eifel, des Westerwaldes und des Vulkanismus im Paläozoikum des östlichen Rheinischen Schiefergebirges. Forschungsreisen nach Portugal, in die westliche Türkei und nach Marokko. 1977 bis 2003 Akademischer Oberrat am Geologischen Institut. Zahlreiche Exkursionen und andere Gelände-Aktivitäten mit den Kölner Geologie-Studenten.

Zum Vortrag: Die gigantische Spalteneruption der 27 km langen Laki-Kraterreihe förderte in den Jahren 1783–1784 in einer Periode von 8 Monaten mehr als 15 Kubikkilometer basaltischer Lava, die etwa 500 km² bedeckte. Es war der stärkste Basalt-Ausbruch der letzten 1000 Jahre weltweit. Hierbei wurden in riesigem Ausmaß vulkanische Gase ausgestoßen, vor allem Schwefeldioxid SO2, dessen Menge auf ca. 122 Megatonnen (122.000.000 Tonnen) geschätzt wird. In der Stratosphäre bildete sich ein Aerosol von Schwefelsäure-Tröpfchen und feinsten Aschepartikeln, das die Sonneneinstrahlung verminderte und zu einer Absenkung der Temperatur führte. Hierdurch wurde das Klima-Geschehen der gesamten Nordhalbkugel in den nächsten Jahren in dramatischer Weise beeinflusst. Dies alles geschah zudem in der „Kleinen Eiszeit“ mit ihren insgesamt ungünstigen klimatischen Rahmenbedingungen.
Die Folgen dieser Emission und der folgenden Temperaturerniedrigung waren:

  1. Toxische Nebel. Die Laki-Eruption begann am 8. Juni 1783. Bereits am 22. Juni erreichte ein „trockener Nebel“ ein giftiges Aerosol, die Britischen Inseln. Im Sommer 1783 forderte es mehr als 11.000 Todesopfer durch Erkrankungen der Atmungsorgane. In geringerem Ausmaß führte dieses gespenstische Phänomen auch in Teilen Westeuropas zu Todesfällen, vor allem in Nordfrankreich. In Deutschland wurde diese Erscheinung als „Höhenrauch“ beschrieben.
  2. Hungersnöte. In Island starben ca. 9.000 Menschen in der Folge der Eruption an Hunger und an Erkrankungen. Der Hauptgrund war das Sterben von 70% des Weideviehs durch Fluor-Vergiftungen und durch den Ausfall der Heu-Ernte nach sauren Regen. In Europa ergaben sich im Sommer 1784 und in den nächsten Jahren erhebliche Ernte-Ausfälle und in deren Folge Hungersnöte. In Ägypten war im Jahr 1784 die Nil-Überschwemmung ungewöhnlich schwach. Hierdurch wurde die Ernte stark reduziert. Dies war der Grund für eine Hungersnot mit Tausenden von Toten. Die Ursache ist wahrscheinlich eine Reduzierung der Niederschläge im Quellgebiet der beiden Nil-Quellflüsse. Sie könnte bewirkt worden sein durch eine Erniedrigung des Feuchtigkeits-Gehalts in den vom mittleren Atlantik und vom Indischen Ozean kommenden Luftmassen infolge der erniedrigten Verdunstungsrate auf diesen Ozeanen. In Japan fiel die Reis-Ernte im Jahr 1784 miserabel aus. Der Reis war nicht gereift. Dies führte zu einer ungewöhnlichen Hungersnot, die nach den historischen Informationen etwa eine Million Todesopfer forderte!.
    Wahrscheinlich spielte hier allerdings auch noch die sehr starke Eruption des Asama-Vulkans (Japan 1783) eine zusätzliche Rolle. Sie kann die Auswirkung der Laki-Eruption in dramatischer Weise verstärkt haben.
  3. Katastrophale Hochwässer. Der Winter 1783/84 war ungewöhnlich kalt und schneereich; er war der schwerste Winter der historischen Aufzeichnungen. Mit seinen extrem tiefen Temperaturen bewirkte er das Gefrieren der Flüsse in Westeuropa sowie im östlichen Nordamerika. In Westeuropa führte dies nach einem Warmluft-Einbruch mit Starkregen am Ende des Februars 1784 zu nie gekannten Hochwässern, die mit starkem Eisgang verbunden waren. Die Folgen waren verheerende Zerstörungen längs der Flüsse, von der Maas bis zur Weichsel. Zahlreiche Todesopfer und der Verlust vieler Brücken und anderer Bauwerke waren zu beklagen. Die höchsten Hochwassermarken in Köln, Bonn, Heidelberg, Würzburg und Regensburg zeugen von dieser Katastrophe.

Hanna Dóra Sturludóttir, Mezzosopran
Interview: Irmhild Garber, Begleitung am Klavier: Hjálmur Sighvatsson

Hanna Dóra Sturludóttir studierte zunächst in Reykjavík Gesang und setzte ihr Studium 1992 an der Hochschule der Künste in Berlin fort, wo sie ihre Diplomprüfung 1998 „mit Auszeichnung“ absolvierte. 1998–2001 war Hanna Dóra festes Ensemblemitglied des Mecklenburgischen Landestheaters Neustrelitz, an dem sie u. a. „Marie“ (Wozzeck), und „Butterfly“ mit großem Erfolg sang. Unter der Regie von Harry Kupfer hat sie an der Komischen Oper in Berlin „Venus“ (Orpheus in der Unterwelt), „Erste Dame“ (Die Zauberflöte) und „Miss Jessel“ in „The Turn on the Screw“ von Benjamin Britten gesungen. Sie sang die „Go“ in der vielbeachteten Trilogie „Kommander Kobayashi“ der Operncompagnie „Novoflot“, welche sie an die Hamburger Staatsoper, zum Warschauer Herbst und nach Luxemburg führte. Hieraus erwuchs 2005 das Engagement an die Staatsoper Berlin mit der Uraufführung von „Seven attempted escapes from silence“. In Island singt sie regelmäßig als Konzert- und Opernsängerin, und im Herbst 2007 sang sie mit großem Erfolg die Titelpartie in „Adriane auf Naxos“ an der Oper in Reykjavík. Die nächsten Projekte führen Hanna Dóra nach Frankreich, wo sie erneut „Miss Jessel“ singen darf, in die Schweiz und nach Österreich für Konzertauftritte, und im Oktober 2010 hat sie ein Gastengagement an der Staatsoper in Berlin.