100 Jahre Unabhängigkeit Islands
und die Bedeutung der deutsch-isländischen Freundschaft 1918–2018

2018 ist ein besonderes Jahr: Die Isländer feiern ihre 100 jährige Unabhängigkeit.
Aus diesem Anlass veranstalteten die Deutsch-Isländische Gesellschaft e.V., die Konrad-Maurer-Gesellschaft e.V. und das Institut für Skandinavistik und Fennistik der Univerität zu Köln gemeinsam die Tagung 100 Jahre Unabhängigkeit Islands und die Bedeutung der deutsch-isländischen Freundschaft 1918–2018 am 16. und 17.11.2018 in Köln.
Den Auftakt bildeten sechs Vorträge am 16.11.2018 zur Nationenbildung und zur Bedeutung Konrad Maurers für die isländische Unabhängigkeit.
Das 45. Kölner Island-Kolloquium am 17.11.2018 ist in diesem Jahr in die Tagung eingebettet und behandelte - neben anderen Themen - die isländische Unabhängigkeit aus anderen Blickwinkeln.

Downloads:
Das Gesamtprogramm (PDF)
Das ausführliche Programm für den 17.11.2018 (mit Abstracts der einzelnen Vorträge) (PDF)

Freitag, 16.11.2018   Samstag, 17.11.2018
45. Kölner Island-Kolloquium
im Italienischem Kulturinstitut in Köln   in der Fritz-Thyssen-Stiftung in Köln
Moderation: Dr. Regina Jucknies und Katharina Schubert M.A.   Moderation: Dr. Sverrir Schopka
 

 


Abstracts zu den Vorträgen am 16.11.2018

Prof. em. Dr. Dieter Langewiesche (Tübingen)
Nation – Nationalstaat – Imperium
Entwicklungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Ohne Krieg kein Nationalstaat – diese martialische Kriegsregel kennt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa nur zwei Ausnahmen: Norwegen und Island. Warum war das so? Um diese Frage zu beantworten, ist es hilfreich zu erörtern, welche unterschiedlichen Wege zum Nationalstaat wir historisch kennen. Dazu wird der Vortrag eine historische Typologie entwickeln. Damit verbunden wird die Frage nach dem Verhältnis von Nationalstaat und Imperium. Nationalstaaten sind aus Imperien hervorgegangen, und sie haben Imperien gebildet. Auch dies ist meist in Kriegen geschehen. Und schließlich wird gefragt, warum der Nationalstaat bis heute so attraktiv ist. Dazu wird skizziert, welche Rolle der Idee Nation in den Prozessen zukam, die zum Nationalstaat führten. Vor diesem historischen Hintergrund soll abschließend gefragt werden: Was war im glücklichen Skandinavien anders in der letzten Phase nationalstaatlicher Sezession?

Dieter Langewiesche ist emeritierter Prof. für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Tübingen. Er ist einer der führenden Experten für die Geschichte des Nationalismus und des Liberalismus und hat für seine Tätigkeit zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten.

Prof. Dr. Stephan Michael Schröder (Köln)
Island: schon im Mittelalter eine Nation?

Dr. Stephan Michael Schröder Unter Rückgriff auf Forschung zu kollektiven Identitätskonstruktionen und zur Geschichte des Konzeptes ›Nation‹ wird in dem Vortrag untersucht, ob die Isländer im Hochmittelalter eine kollektive Identität herausgebildet hatten und in welchen Parametern diese gegebenenfalls zu beschreiben ist. Quellentexte legen nahe, dass vor allem auf zwei Prinzipien, Territorialismus und Funktionalismus, rekurriert wurde, wenn über isländische Identität geschrieben wurde. Island war zweifellos – schon wegen seiner Königslosigkeit – eine politische Anomalie. Aber war Island deshalb bereits im Mittelalter eine Nation – oder sollte man doch besser von einer ethnischen statt von einer nationalen Identität sprechen? 

Stephan Michael Schröder ist Professor für Skandinavistik an der Universität zu Köln. Seine Schwerpunkte bilden die skandinavische Kultur-, Literatur- und Mediengeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts.

Prof. Dr. Guðmundur Hálfdanarson (Reykjavík)
'Never give in'! Jón Sigurðsson's legacy and Icelandic ideas on nationality and the nation state

In Icelandic political history, the archivist Jón Sigurðsson (1811-1879) is generally seen as the intellectual father of Icelandic nationalism. His uncompromising rhetoric in the debates with the Danish government was legendary, as we can see from a signet ring donated to him in 1851, with the engraved motto "Never give in!" (Eigi víkja!"). When we read Sigurðsson's correspondence with his friends, including Konrad Maurer, we gain a more nuanced picture of his views and political strategies. In the lecture I will discuss Jón Sigurðsson's ideas and his legacy in the context of the history of European nationalism and the formation of the Icelandic nation-state.

Guðmundur Hálfdanarson ist Inhaber der Jón-Sigurðsson-Professor für Geschichte an der Universität Islands. Ein Hauptschwerpunkt seiner Forschungstätigkeit ist u.a. Geschichte und Theorie des Nationalismus.

Prof. em. Dr. Dieter Strauch (Köln)
Konrad Maurer als auswärtiger Förderer isländischer Unabhängigkeit

Auf Anregung seiner akademischen Lehrer widmete sich Konrad Maurer den altnordischen Quellen, schrieb 1852 ein Buch über die Entstehung des isländischen Staates und 1856 einen bald ins Isländische übersetzten Aufsatz über Islands Verhältnis zu Dänemark. Nach gründlicher Vorbereitung bereiste er 1858 monatelang Island und machte sich mit ihm näher bekannt, so dass er dessen Freiheitsstreben sachlich begleiten und gutachtlich in vielen Aufsätzen unterstützen konnte. 1874 nutzte er die 1000-Jahrfeier des isländischen Freistaates, indem er in seinem Buch „Island“ den jahrhundertelangen Kampf der Isländer um ihre Unabhängigkeit beleuchtete. Mit seinem Aufsatz von 1880 „Jón Sigurðsson“ krönte er dessen Einsatz für die isländische Freiheit, indem er die lebenslange Arbeit dieses mutigsten Streiters für das große Ziel würdigte.

Dieter Strauch ist emeritierter Professor für Rechtsgeschichte an der Universität zu Köln mit Schwerpunkt auf bürgerlichem Recht, deutscher und nordischer Rechtsgeschichte.

Sigrún Gylfadóttir M.A. (Reykjavík)
Konrad Maurers Bedeutung für die isländische Volkskunde

In dem Vortrag, der auf meiner Masterarbeit basiert, werde ich über Konrad Maurers Anteil an der Herausgabe der isländischen Volkssagensammlung, Íslenskar þjóðsögur og æfintýri, in den Jahren 1858 bis 1864 sprechen. Maurer lernte die isländische Sprache und besuchte Island im Jahre 1858, wo er u.a. einige einheimische Volkssagen aufschrieb. Auf dieser Reise lernte er Jón Árnason kennen und bereits damals entstand der Gedanke gemeinsam eine größere Sammlung isländischer Volkssagen herauszugeben, für die Maurer einen Verleger in Deutschland finden sollte. Die Sammlung erschien in zwei Bänden in den Jahren 1862 und 1864. Jón sorgte für das Sammeln der Sagen in Island und schickte sie dann an Maurer, der sich aller Aufgaben bezüglich der Herausgabe in Deutschland annahm. Maurer war das Bindeglied zwischen Jón und dem Verlag und war außerdem mit dem Lesen der Korrektur beauftragt. Die Korrespondenz der beiden macht aber auch deutlich, dass er Jón mit diversen anderen Aspekten der Herausgabe half. Maurer war in diesem Forschungsgebiet bereits erfahren. Deshalb konnte er Jón nützliche Ratschläge geben und ihn überzeugend motivieren. Das Ergebnis meiner Untersuchung war, dass Maurers Beitrag zu Íslenskar þjóðsögur og æfintýri in der Tat größer war als bisher angenommen.

Sigrún Gylfadóttir ist Ethnologin und hat in ihrer Masterarbeit in der Europäischen Ethnologie die Bedeutung Konrad Maurers für die Herausgabe der isländischen Volkssagen im 19. Jh. erforscht.

PD Dr. Alessia Bauer (München)
Sprachpolitik als Mittel für die politische Selbständigkeit

Während im 19. Jh. die politische Debatte um die Unabhängigkeit Islands entbrannte, versuchte man an verschiedenen Fronten Erfolge zu verbuchen. Die Partie spielte sich nicht nur auf dem diplomatischen Parkett ab, sondern auch auf der kulturellen Ebene. Nach einigen Jahrhunderten, in denen Sprache und Kultur von der ‚Kolonialmacht‘ stark beeinflusst worden waren, besann man sich auf die alten Traditionen und sehnte sich wieder nach den Ursprüngen. Sprachpolitik und -pflege wurden zu einem der Mittel für die Bekämpfung des ‚Fremden‘: Die zahlreichen Danismen wurden aus dem Isländischen getilgt und durch rein isländische Wörter ersetzt, altnordische Lexeme wurden schließlich mit neuen Bedeutungen versehen und wieder eingeführt. Es war die Geburtsstunde eines neuen Mythos, nämlich jenes der isländischen Sprache als ununterbrochenes und unverändertes continuum von ihrem Beginn bis zur Moderne.
Im Vortrag werde ich versuchen, in aller Kürze den Prozess der Entfremdung in der Frühneuzeit sowie der erneuten ‚Islandisierung‘ der Sprache am Ende des 19. Jh.s zu skizzieren.

Alessia Bauer ist Oberassistentin am Institut für Nordische Philologie der Universität München. Ihre Schwerpunkte sind die Erforschung der Schriftkultur, die Runologie und das alte und das neue Island.


Abstracts zu den Vorträgen am 17.11.2018 - 45. Kölner Island-Kolloquium

Dr. Heidrun Wirth (Bonn)
Performative Land-Art mit Margret Schopka in Island

Dr. Heidrun WirthDas Überzeitliche und das Augenblickliche sind in Island keine Antagonisten. Die Landschaft scheint zeitlos zu sein und kommt uns "ewig" vor und dennoch lassen sich die Spuren explosiver geologischer Veränderungen klarer ablesen als in den vegetationsreichen Waldregionen Europas. Die Künstlerin Margret Schopka will dieser im wahrsten Sinne des Wortes "erhabenen" Landschaft nichts hinzufügen und nichts wegnehmen, aber sie würdigt sie mit ihrer performativen Land-Art.
Als Künstlerin ordnet sie sich dieser Landschaft völlig unter und setzt doch deutliche kulturelle Spuren. Ob sie dunkle Vulkanasche auf Schnee oder weißes Mehl auf Vulkanasche aufbringt, das einsame Land wird in ein Feenreich verzaubert. Indem Margret Schopka das Spiel zwischen Ebbe und Flut um ihre gesiebte Ornamentik erweitert, betont sie die Schönheit der Landschaft , allerdings nur für den Kairos, den rechten Augenblick. Bald bekommt die Natur wieder die Überhand und das menschliche Tun ist nur noch Erinnerung.

Heidrun Wirth, geb. 1941 in Berlin, studierte für das Lehramt in München, später als Zweitstudium Pädagogik, Psychologie, Kunstgeschichte in Bonn mit Promotion 1975. Seit 1985 ist sie als freie Fachjournalistin für Bildende Kunst tätig mit regelmäßigen Veröffentlichungen u.a. in der Kölnischen Rundschau und der Bonner Rundschau.

Dr. Sigurjón Árni Eyjólfsson (Reykjavík)
Die Verkündigung der lutherischen Kirche in Island und die Säkularisation

Die Stellung der Kirche in Island hat sich verändert. Sie hat ihre Rolle als selbsternanntes Kontrollorgan innerhalb des Wohlfahrtssystems verloren und kann nicht mehr im Schutze ihres fürsorgerischen Ansatzes wirken. Sie nimmt keine Position mehr ein, wo sie sowohl Gesamtüberblick als auch Macht zum Kritisieren hat. Die Kirche ist in der Gesellschaft mit anderen Institutionen gleichgestellt. In der Debatte auf Island ist in der Folge des Bankencrashs die Forderung aufgekommen, dass man sich jetzt wieder den guten alten Werten zuwenden sollte. Und wenn man nachhakt, worin diese denn bestehen, geraten die Beteiligten ins Schwimmen. Einige verweisen auf die Tugenden: zuerst auf die allgemeinen wie Weisheit, Mäßigung, Mut und Gerechtigkeit, später dann die christlichen wie Glaube, Hoffnung und Liebe. Der Referent erläutert die Hintergründe dieser Entwicklung.

Dr. Sigurjón Árni Eyjólfsson, geboren 1957, studierte Theologie an der Universität Islands und legte 1984 das Staatsexamen ab. An der Christian-Albrechts- Universität in Kiel arbeitete er an seiner Dissertation und promovierte 1991. Es folgte eine weitere Promotion 2002 an der Theologischen Fakultät der Universität Islands. Er ist Gemeindepfarrer im Pfarramt Reykjavik Ost und hat einen Lehrauftrag an der Theologischen Fakultät der Universität Islands. Von ihm liegen zahlreiche Buchveröffentlichungen vor, u.a. Guðfræði Marteins Lúthers (Die Theologie Martins Luthers, 2002), Kristin siðfræði í sögu og samtíð (Christliche Ethik früher und heute, 2004) sowie Ríki og kirkja (Staat und Kirche 2006).

Prof. Dr. Trausti Valsson (Reykjavík)
Das Zusammenwirken der Entwicklung der Selbständigkeit Islands und der Hauptstadt Reykjavík

Aus der Sicht eines Planers wird geschildert wie die Schritte zur Selbständigkeit Islands und die Schritte in der Entwicklung Reykjavíks, als eine für öffentliche Funktionen fähige Stadt, sich gegenseitig beeinflusst haben. 1835 z.B. hatte Reykjavík nur 640 Einwohner und konnte keine Hauptstadtfunktionen von Kopenhagen übernehmen.
Allmählich wurden Institutionen in Reykjavik eingerichtet, z.B. das Parlament Althing und ein Gymnasium 1845. Der 1906 eröffnete Bibliotheks- und Musemsbau und die Kulturförderung des Parlaments bahnte den Weg für eine weitere selbständige kulturelle Entwicklung.
So wurde Reykjavik auch allmählich eine kulturelle Hauptstadt, die 1944 bereit war, Sitz einer Republik mit eigenem Staatsoberhaupt zu werden. 

Trausti Valsson, geb. 1946, studierte Architektur und Stadtplanung an der TU Berlin und arbeitete danach im Stadtbau und Entwicklungsamt von Reykjavík. 1987 promovierte er an der University of California in Berkeley, 1988 erhielt er eine Teilzeit-Berufung an die Universität Islands und 2000 die erste Professur für Planung dort. Er hat viele Aufsätze und Bücher veröffentllicht.

Eberhard Kandler (Frechen)
Wanderungen in den Westfjorden (mit Film)

Hornstrandir liegt am nordwestlichsten Zipfel Islands. Das Gebiet zählt zu den letzten unberührten Naturlandschaften Europas. Die Bewohner der Region lebten über Jahrhunderte vom Fischfang, vor allem vom Hering, der aber in der Mitte des letzten Jahrhunderts verschwand. Die letzten Siedler verließen 1952 Hornstrandir. In den 70er Jahren wurde das Gebiet unter Naturschutz gestellt. Hornstrandir erreicht man am besten von Isafjördur aus mit dem Boot.
Das Video wurde vor 21 Jahren gedreht. Damals fuhr das Fährschiff "Fagranes" in Richtung Adalvik und weiter bis nach Hornvik - heute fährt ein Schnellboot zur ehemaligen Siedlung Hesteyri.

Eberhard Kandler, geb. 1941 in Schlesien, lebt seit 1946 im Rheinland. Nach einer Verwaltungslehre besucht er das Abendgymnasiums in Neuss und studiert schließlich an der Pädagogischen Hochschule in Bonn. Zunächst arbeitete er als Grundschullehrer in Siegburg, ab 1981 als Schulleiter in Troisdorf bis zu seiner Pensionierung 2005.